Global Pro-Bono-Experience 2.0
2018 nahm ich am zweiten internationalen Pro-Bono-Programm von WE Communications teil: 1 Monat, 9 Berater von 4 Unternehmen, die 3 Nichtregierungsorganisationen (NROs) mit Sitz in Kigali, Ruanda unterstützten. Dieses einmalige Projekt, währenddessen ich außergewöhnliche Erlebnisse gesammelt und neue Eindrücke sowie Freunde gewonnen habe, liegt jetzt schon einige Wochen hinter mir. Ich habe die Zeit genutzt, um über die Erkenntnisse, aber auch Herausforderungen zu reflektieren.
Wichtigste Erkenntnis: Den Kontext verstehen
Nach mehr als einem Jahrzehnt in der Kommunikationsberatung bin ich es gewohnt, mit Briefings konfrontiert zu werden, die in der Regel verschiedene Herausforderungen mit sich bringen. Doch bei diesem Projekt wurde ich sprichwörtlich ins kalte Wasser geworfen: Ich sah mich mit einem neuen kulturellen Umfeld konfrontiert und wurde gebeten, gemeinsam mit einem neuen Team zusammenzuarbeiten, um die Health Development Initiative Rwanda (HDI) zu unterstützen, eine lokale NRO, die im Gesundheitssektor tätig ist – eine Branche, mit der ich ebenfalls bislang wenig Berührungspunkte hatte.
Für unser neu zusammengewürfeltes Team bestand die erste Hürde darin, den Kontext zu verstehen – d. h. das operative, kulturelle und regulatorische Umfeld, in dem die NRO tätig ist, zu begreifen und Zusammenhänge zu erfassen.
CONTEXT nennt sich auch der erste Schritt unserer MOMENTUM-Methodik, mit der wir bei WE fesselnde Geschichten entwickeln und Ergebnisse mit echter Bedeutung erzielen. Bevor wir eine Strategie entwickeln konnten, die den Bedürfnissen von HDI entspricht, war es daher entscheidend, die folgenden Fragen zu beantworten:
- Wie ist die aktuelle Situation der NRO?
- Welche externen Kräfte beeinflussen das operative Umfeld?
- Wie wird die NRO von internen und externen Stakeholdern wahrgenommen?
- Was motiviert Mitarbeiter und andere Zielgruppen?
- Mit welchen versteckten Bedrohungen und Chancen ist die NRO konfrontiert?
Um in dieses Projekt einzutauchen, war es wichtig, einen Schritt zurückzutreten und zuerst zuzuhören, bevor wir uns an die Entwicklung der Strategie und Maßnahmen machten. Der richtige Kontext war entscheidend dafür, ein effektives Kommunikationsprogramm für HDI zu entwickeln und voranzutreiben. Trotz des kurzen Projektzeitraums verbrachten wir einen Großteil der ersten Woche damit, mit verschiedenen Ebenen innerhalb der Organisation sowie mit externen Stakeholdern zu sprechen, um uns ein umfassendes Bild der tatsächlichen Probleme zu machen.
Persönliches Fazit: Zuhören als Kern der Kommunikation
Im Allgemeinen bin ich sehr ungeduldig. In Ruanda ticken die Uhren etwas anders und die Zeit spielt eine nicht ganz so entscheidende Rolle, wie ich es gewohnt bin – was für mich eine besondere Herausforderung darstellte. Termine wurden des Öfteren verschoben und häufig wurde nicht über den eigentlichen Anlass des Meetings diskutiert, sondern auch manchmal bis zu fünf neue Themenpunkte eröffnet oder ganz andere Probleme erörtert. Dennoch war jedes Gespräch enorm wichtig, um ein besseres Verständnis für das Gesamtbild zu erlangen. Beispielsweise wird HDI häufig von Medienvertretern und anderen Stakeholdergruppen mit der LGBT-Community in Verbindung gebracht. Ruanda ist ein sehr religiöses Land, und trotz der aktuellen Gesetzesgrundlage, laut dieser Homosexualität legal ist, gibt es hier häufig noch Diskriminierung. Entsprechend ist eine Organisation, die die LGBT-Community unterstützt, immer auch kritisch gesehen. Dass HDI darüber hinaus ein viel weitreichenderes Programm anbietet und sich in vielen anderen Bereichen engagiert, ist nicht immer bekannt. Diese Erkenntnisse waren enorm kritisch für die Definition des Corporate Messaging.
Bei diesem Projekt hat sich für mich wieder bestätigt, dass der altbekannte Grundsatz auch bei Aufgaben mit viel Zeitdruck gilt: In der erfolgreichen Kommunikation ist eine der wichtigsten Fähigkeiten das aktive Zuhören. Dies ist unerlässlich, um hintergründige Probleme zu entdecken, Zusammenhänge zu verstehen und die Geschichte hinter der Geschichte zu ergründen.