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Ein außergewöhnliches Leben

Vor 2.780 Samstag-Vormittagen, es mögen ein paar Samstage mehr oder weniger gewesen sein, schrieb ein zierlicher aber temperamentvoller Teenager namens Pam Edstrom seine Eignungstests für das College. Was dann passierte, wissen Sie vielleicht ­– schließlich hat es Pam oft erzählt. Bei der Besprechung der Ergebnisse ließ der Studienberater sie Platz nehmen, um ihr die in seinen Augen gute Nachricht mitzuteilen. Pam brauche sich keinerlei Gedanken wegen speziellen Vorbereitungskursen für das College zu machen. Wie wäre es stattdessen, so sein Vorschlag, mit einem Schreibmaschinenkurs oder einem Hauswirtschaftsseminar? (Es war schließlich Anfang der 1960er). Der Studienberater fand, Pam solle sich mit Nähtechnik statt Shakespeare, mit Steno statt Sinuskurven beschäftigen – aus einem ganz einfachen Grund: „Sie sind völlig durchschnittlich und gewöhnlich“, erklärte er ihr.

Nach Meinung des Studienberaters war also „durchschnittlich“ das Motto für Pams weiteren Lebensweg. Wir alle kennen natürlich die wahre Geschichte: Dieser Herr hatte vollkommen UNRECHT. Ich möchte das als eine Frühform von „Fake News“ bezeichnen. Pam war alles andere als durchschnittlich. Pam war außergewöhnlich. Die Vorstellungen klafften weit auseinander: Ein klassischer „Story Gap“.

Das sollten die nachfolgenden Ereignisse beweisen. Anstatt einen Schreibmaschinenkurs zu belegen, bewarb sich Pam um ein Stipendium der American Legion und schrieb sich an der University of Minnesota ein. Anschließend absolvierte sie noch ein Aufbaustudium. Danach fing sie bei einem großen Technologieunternehmen (Tektronix) an, um dann zu einer kleinen Softwarefirma namens Microsoft zu wechseln. Als nächstes kam sie zu mir und wir bauten WE auf: die weltweit erste (nach wie vor) unabhängige PR-Agentur in weiblicher Hand. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt.

Pam hatte immer ein feines Gespür für die Wahrheit. Sie wusste, dass der Studienberater unrecht hatte. Sie wusste, dass sie nicht dazu geboren war, als Sekretärin in irgendeinem Büro die Vision der Welt für jemanden abzutippen. Sie war vielmehr dazu geboren, ihre eigene Vision zu entwickeln. Und nichts Anderes tat sie.

Daran habe ich sehr oft in letzter Zeit gedacht – nicht nur, weil Pam am 4. Dezember in New York in die Hall of Fame 2017 der PRWeek aufgenommen wurde. Zu ihren Ehren nahm ich 40 Leute zu dieser Veranstaltung mit – ich hätte bestimmt auch 400 mitbringen können. (So viel dazu, Herr Studienberater!) In der heutigen Zeit fällt es gelegentlich schwer, die Wahrheit hochzuhalten. Story Gaps lauern an jeder Ecke, sie überrollen uns aus allen Richtungen. Klimawandel? Fake News! Armut und Ungleichheit? Fake News! Menschen aus anderen Teilen der Erde brauchen unsere Hilfe? Fake News! Fakten? Fake News!

Pam hat ihrer Lebensgeschichte eine andere Wendung gegeben. Sie hat ihren Story Gap geschlossen. Wenn wir das alle machen würden? Hat nicht jeder ein Recht darauf?

Pams Lieblingsfrage war: Welches Problem versuchen Sie zu lösen? Heute stelle ich die Frage etwas anders: Welche Geschichte versuchen Sie zu erzählen? Welche Wahrheit möchten Sie aufdecken? Welche Gabe möchten Sie mit anderen teilen? Wie können Sie in der postfaktischen Welt von heute den Stillstand überwinden und den Story Gap schließen, der IHNEN am meisten am Herzen liegt?

Das ist die Handlungsaufforderung von WE an die Kommunikatoren. Deshalb ist unsere Arbeit wichtig. In gewisser Weise führen wir damit täglich Pams Arbeit fort.

Natürlich sind wir dabei die Privilegierten. Denn wir haben die Macht und die Mittel, die Wahrheit zu sagen, die Lücke zu schließen, der Story eine Wendung zu geben. Was wäre, wenn wir das nicht hätten? Was ist mit all den anderen „durchschnittlichen“ Schülern? Mit denen, die nicht die Möglichkeiten haben, die Pam hatte? Wie viele außergewöhnliche junge Frauen und Männer gibt es, die jeden Tag gesagt bekommen, sie seien nicht gut genug … und wie viele glauben das? Wie viel Potenzial bleibt ungenutzt? Wie viel Talent liegt brach?

Es war schon immer unser Kernanliegen, eine Führungsrolle zu übernehmen und den Besten und Klügsten zu helfen, den Story Gap zu schließen. Und dies war definitiv auch eine Herzensangelegenheit von Pam. Deshalb hat WE mit dem „Pam Edstrom Scholarship and Endowment Fund“ gerade einen Fonds zur Unterstützung von Studenten der Kommunikationswissenschaften ins Leben gerufen, der zunächst an der nördlichen Westküste aktiv ist, also dort, wo wir unsere Agentur ursprünglich gründeten. Die ersten Stipendien werden im kommenden Frühjahr vergeben und wir freuen uns darauf, die Studenten kennenzulernen, die eines Tages das Werk fortsetzen, das Pam begonnen hat. WE möchte auf diese bescheidene Weise Pams Vermächtnis weitergeben und ihr Anliegen fortführen.

Wir gründeten unsere Agentur auf der Maxime, stets den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Diesem Grundsatz aus unseren Anfangszeiten – und Pams Anteil daran – bleiben wir jedes Mal treu, wenn wir außergewöhnliche Menschen einstellen, die wir in ihrer Außergewöhnlichkeit fördern. Jedes Mal, wenn wir die Erfolge der Anderen feiern und aus den Fehlern der Anderen lernen (das gilt auch umgekehrt, denn – glauben Sie mir – Sie werden sich nie weiterentwickeln, wenn Sie nicht von Zeit zu Zeit etwas so richtig verbocken). Wir greifen immer die beste Idee in der Runde auf, egal von wem sie stammt. Und immer, wenn wir uns in der Runde umschauen, sehen wir mit großer Zufriedenheit (wie ich am Abend des 4. Dezember), dass auch die Anderen überzeugt sind. Nicht nur Waggener (also ich) und Edstrom (also sie), sondern WE.

Bei der PRWeek Hall of Fame Veranstaltung erhoben wir unsere Gläser auf meine Partnerin Pam – Branchenpionierin und die beste Geschäftspartnerin, die man sich nur vorstellen kann. Ich erhob mein Glas auch auf meine beste Freundin Pam – Geschichtenerzählerin, Fragestellerin, Talentstifterin. Aber ganz besonders erhoben wir unsere Gläser auf diesen „durchschnittlichen“ Teenager aus Minneapolis, der die Worte des Studienberaters in den Wind schlug und stattdessen seine eigene Story erzählte. Pam steht für die Fähigkeit des Menschen, sein ganzes Potenzial zur Entfaltung zu bringen. Sie war außergewöhnlich.

Dezember 15, 2017