Die digitale Welt 2017: Acht Prognosen
Aus dem Englischen von Gareth Davies
Nach den schockierenden Wendungen im Jahr 2016 im digitalen Bereich (Apple schafft die Kopfhörerbuchse ab), fällt es schwer, selbstgewiss eine Prognose für das kommende Jahr abzugeben. In den vergangenen zwölf Monaten hat die Internetwelt erlebt, wie Influencer-Marketing zum Standard avancierte, immer mehr Unternehmen auf Videowerbung umstiegen und Twitter das Ende von Vine ankündigte.
Dieses Jahr wird es mit Sicherheit weitere Überraschungen geben. Dennoch wollen wir hier unsere wichtigsten acht Voraussagen für 2017 für die Bereiche digitales Marketing, Technologie und soziale Medien präsentieren.
1. Die Konsolidierung Sozialer Netzwerke und Funktionen
„Was Ihr könnt, können wir schon lange.“ Das beschreibt die Welt der sozialen Medien im Jahr 2016 am besten. Der wachsende Erfolg von Snapchat hatte die Einführung von Instagram Stories zur Folge; Facebook reagierte auf den Hype um Periscope mit dem Start von Facebook Live.
Die Nutzung von Plattformen wird 2017 ein wichtiger Trend sein, wobei einige wenige Anwendungen und Aktionen nach wir vor auf spezifische Plattformen beschränkt bleiben. Snapchat wird weiter verwendet werden, um schnell und bequem persönliche Erlebnisse zu teilen. WhatsApp wird auch in Zukunft die vorherrschende Chat-Plattform für alle Altersgruppen bleiben. Instagram wird nach wie vor die wichtigste Plattform für das Teilen von Bildern sein und Facebook bleibt die Plattform, die jeder nutzt, ohne es so recht zugeben zu wollen.
Veränderungen bei den Verhaltensmustern sind nur dann zu erwarten, wenn eine neue disruptive Plattform mit einem völlig anderen Kommunikationskonzept auf den Markt kommt.
2. Twitter wächst oder stirbt
Das Wachstum von Twitter stagniert. 2017 wird deshalb zum Schicksalsjahr für die Plattform. Wenn Sie die Entwicklung der sozialen Medien regelmäßig in der Presse verfolgen, dann wissen Sie: Twitter hat es nicht geschafft, neue oder inaktive Nutzer mit innovativen Features oder Funktionen zu locken. Der Kurznachrichtendienst muss seinen Platz im Ökosystem der sozialen Medien finden und analysieren, wie er eine maßgebliche Rolle im Gesamtmix der gängigen Plattformen spielen kann.
Was für Twitter spricht, sind die enormen Datenmengen, die es täglich produziert und die es im Laufe der Zeit angesammelt hat. Richtig genutzt, könnten diese extrem wertvoll für Brands und Marketeers sein.
3. Hochspezialisierte Social-Influencer auf dem Vormarsch
Zweifellos hat es YouTube hervorragend geschafft, seine Plattform zu kommerzialisieren und Content-Autoren Möglichkeiten zu bieten, gutes Geld zu verdienen. Aber die steigende Nachfrage nach diesen Influencern und die entsprechend steigenden Kosten werden wohl Zweifel bei den Unternehmen am RoI (Return on Investment) wecken, den ihnen soziale Medien liefern können. Wir erwarten, dass sich immer mehr Brands von Influencern mit großen und breiten Follower-Spektren abwenden. Stattdessen werden sie auf Micro-Influencer mit kleineren, höher spezialisierten Netzwerken setzen, die dennoch über eine erhebliche Reichweite verfügen.
4. Verhaltensprognose-Tools und Analytics
Unsere Daten aus „Stories in Motion“ zeigen, dass wir alle Gewohnheitstiere sind. So haben wir Informationsquellen, denen wir vertrauen und die wir immer nutzen, Plattformen und Geräte, die wir ständig verwenden, und feste Gewohnheiten, wenn es um den Kauf neuer Produkte oder Services geht.
Das ist hervorragend für Unternehmen und Marketingspezialisten. Wir können damit nämlich den Erfolg einer Kampagne besser voraussagen, indem wir Zielgruppendaten für die Generierung von Content und Aufmerksamkeit verwenden. Aber wie der Wahlsieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der überraschende Sieg der „Brexit“-Befürworter beim britischen Referendum zur EU-Mitgliedschaft beweisen: Es wird noch einige Zeit dauern, bis datenbasierte Tools und Konzepte jedes Mal ein 100-prozentig „richtiges“ Ergebnis liefern.
2017 ist das Wachstumsjahr für Tools, mit denen sich das Zielgruppenverhalten besser voraussagen lässt. Aber die Einführung dieser Tools wird wahrscheinlich von einer erheblichen Portion Skepsis begleitet sein. Es könnte also einige Zeit dauern, bis diese Werkzeuge in den Agenturen ebenso standardmäßig genutzt werden wie die Tools zur Beobachtung und Analyse sozialer Medien.
5. Das neue Entdecken und Kuratieren
Daten belegen, dass die britischen Nutzer sozialer Medien mehrheitlich nicht zu den Gruppen zählen, die aktiv und gezielt nach Inhalten suchen, die aus neuen Quellen und von Influencern stammen. Deshalb werden Unternehmen und Plattformen 2017 verstärkt die Entdeckung neuer Inhalte unterstützen, um Nutzer konsequent in ihre jeweiligen Ökosysteme einzubinden.
Die Plattformbetreiber müssen weiterhin in die Entwicklung von Algorithmen investieren, die relevante Inhalte ins Rampenlicht rücken. Gleichzeitig ist eine engere Zusammenarbeit mit den richtigen Influencern erforderlich, um genauer festzustellen, welche Themen ihre eigene Zielgruppe am meisten interessieren. Das heißt, die Unternehmen müssen gleichzeitig Kuratoren und Autoren sein.
6. Mixed-Reality-Kampagnen werden gemischten Erfolg haben
Es ist vielfach versucht worden, 2016 zum Jahr der Virtual Reality (VR) hochzustilisieren. Bis zu einem gewissen Grad war es ja auch ein erfolgreiches Jahr für VR, denn viele führende Anbieter (insbesondere Oculus und HTC) brachten endlich Consumer-Hardware auf den Markt. Samsung konnte weiterhin starkes Wachstum bei seinem mobilen Headset Gear VR verzeichnen, und Sony brachte Virtual Reality mit seiner recht preisgünstigen Playstation VR in den Mainstream.
Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Verbraucher VR nützlich finden, wird diese Technologie 2017 langsam aber stetig wachsen. Augmented Reality (AR) wird ebenfalls eine größere Rolle spielen. Der Erfolg von Pokemon Go hat den Konsumenten bereits vor Augen geführt, was AR leisten kann. Um aber in den Mainstream vorzudringen, müssen Content-Autoren und Hersteller noch genauer analysieren, welche sinnvollen AR-Anwendungen sie entwickeln können. Snap Inc. hat AR-Know-how eingekauft, was als Hinweis darauf zu deuten ist, dass Snapchat in Kürze Augmented Reality unterstützen wird. Das wird eine interessante Bereicherung der Plattform und trägt dazu bei, dass diese Technologie noch mehr zum Standard wird. Microsoft arbeitet auch intensiv daran, seine HoloLens AR-Brille in relevanten Branchen zu etablieren. Verbraucher werden zwar nicht unbedingt die Hauptadressaten für diese Technologie sein, aber das erste Feedback vom Markt war positiv.
Was heißt das nun für Brands und Marketeers? Angesichts der Wachstumsraten werden immer mehr Unternehmen VR- und AR-Technologie nutzen. Bei Kampagnen, die mit Mixed oder Virtual Reality arbeiteten, handelte es sich bislang lediglich um gezielte Einmalaktionen, die kaum in umfassendere integrierte Kommunikationskonzepte eingebunden waren. Die Herausforderung für Kommunikatoren besteht also darin, VR- und AR-Inhalte zu optimieren, damit sie sich nahtlos in alle anderen Kundenkontaktpunkte und Plattformen einfügen.
7. Branded-Content auf neuen Plattformen wird zur Hassliebe der Verbraucher
Die Unternehmen werden im Umgang mit neuen und zukunftsträchtigen Plattformen immer kompetenter. Das heißt, der Branded-Content, der uns ohnehin schon in großen Mengen präsentiert wird, nimmt noch zu. Das führt zu einem kurzen Interessensschub, wenn die Verbraucher sich mit Inhalten auf diesen Sites auseinandersetzen, die ihnen nützlich erscheinen.
Aber im Laufe der Zeit und mit der steigenden Anzahl von Unternehmen, die auf diesen Zug aufspringen, wird dieses Szenario unsere Aufnahmefähigkeit für Branded-Content an die Grenzen bringen. Am Ende könnten dann wieder Bezahlmodelle stehen. Sogar die neueren Plattformen, die derzeit für viel Aufmerksamkeit sorgen, verlangen Gebühren, um auszusieben und die Inhalte den richtigen Zielgruppen zum richtigen Zeitpunkt zu präsentieren.
Für Sites wie Snapchat und WhatsApp, die konsequent auf Eins-zu-Eins- und Eins-zu-Viele-Konversationen ausgerichtet sind, wird das eine riesige Herausforderung sein – und noch mehr für Facebook, Twitter und Instagram. Wenigstens sind bei letzteren Plattformen gesponserte Inhalte Teil des Feeds und lassen sich problemlos ausblenden (was ironischerweise der Grund dafür ist, dass Messenger-Apps gegenüber diesen Sites im Vorteil sind, da es hier von Haus aus keine Feeds voller irrelevanter Inhalte gibt). Wenn aber Branded-Content in einer Eins-zu-Eins-Konversation eingeblendet wird, dann gibt es kein Entrinnen mehr.
8. Geschichten statt Lobeshymnen
Wenn Branded-Content in Messenger-Apps erfolgreich sein soll, muss der Kunde mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, nicht das Unternehmen. Brands werden nicht mehr nur über Storytelling reden, sondern tatsächlich Geschichten erzählen, die sich nicht um ihr Produkt oder ihren Service drehen.
Unsere Recherchen im Rahmen von „Stories in Motion“ haben ergeben, dass kaufwillige Konsumenten genau wissen, wo und was sie suchen. Vor allem werden Ihre Kunden, die etwas kaufen wollen, die Antworten auf ihre Fragen wahrscheinlich nicht in den sozialen Medien suchen.
Die Aufgabe von sozialen Medien ist eindeutig Storytelling – die Verbreitung relevanter Inhalte, die Ihre Zielgruppe interessieren (keine Lobeshymnen auf Ihre Produkte/Services) und im Laufe der Zeit Markenpräferenz generieren.